Piemont - 14.-18. September 2014

Wie schon die letzten Jahre zieht es mich für ein paar Tage ins Piemont. Die Unterkunft beim Weinbauern in La Morra ist schon gebucht. Die Wettervorhersage ist nicht ganz optimal, aber wir werden ja sehen. Geplant habe ich dieses Mal auch ein paar Schotterstrecken, sofern es die Witterung erlaubt.

 

Ich starte am Sonntag Vormittag bei einem Tachostand von 12.400 km. Mit ein paar kurzen (Tank)Stopps bewältige ich in gut 6 Stunden über die Autobahn die 570 km Strecke. In der Unterkunft Agritourismo Erbaluna erhalte ich gleich mein Zimmer und nach einer erfrischenden Dusche setze ich mich auf die Terrasse, von der man einen schönen Ausblick auf die Weinberge hat. Nach gut einer Stunde Rast starte ich nochmals die Maschine und suche ein paar kurvige Strecken in der Umgebung - als Ausgleich zur langen Autobahnetappe. Am Abend schaue ich mir dann die Wettervorhersage an. Es wird fast überall bedeckt angekündigt, etwas nördlicher soll es besser sein. Also beschließe ich, am nächsten Tag die Assietta Kammstraße anzusteuern.


15. September - Assietta Kammstraße (AKS)

Strecke ca. 290 km

Ich lasse die Autobahn links liegen und fahre Richtung Fenestrelle. Bevor ich dann bei Depot die Abzweigung hinauf zum Pian dell´ Alpe nehme, tanke ich die KTM noch auf. Zuerst geht es noch über Asphalt und großzügig breite Kehren nach oben, bald jedoch wird der Weg schmäler und geht schließlich in leichten Schotter über. Ich aktiviere den Offroadmodus der KTM 1190. Den ersten Fotostopp lege ich beim Forte Serre Marie ein. Wie ich dann aus dem Wald hinaus komme, bin ich zuerst überrascht. Hier ist plötzlich eine zwar einspurige, aber schöne glatte Asphaltstrecke. Nach rechts geht es zum Col de Finestre und links zuerst etwas hinunter zur Pian dell´Alpe bzw ASK. Dort jedoch beginnt dann der schotterige Einstieg in die Assiettastraße.

 

Der größte Teil der Strecke ist gut zu bewältigen, gröberen Steinen kann ich meistens gut ausweichen. Ich bleibe immer wieder stehen um die Landschaft zu betrachten. Die Nebelschwaden ziehen relativ rasch und immer wieder blickt auch die die Sonne durch. Von der Temperatur her ist es ideal. 

 

In einem etwas steileren Stück steht ein Italiener mit einer LML Star, einem in Indien erzeugten Roller, einer Vespa ähnelnd, die anscheinend zu heiß geworden ist. Später treffe ich ihn am Colle dell´Assietta (2.472 m) wieder. Er fährt eine BMW 1200 GS und seine Frau den 125er Roller. Kaum zu glauben, dass sie damit die ganze Strecke schaffen wird.

Hier unterhalte ich mich auch noch mit zwei Deutschen, die mit ihren leichten 400er Enduros unterwegs sind. Das sind natürlich für solche Zwecke die idealen Maschinen.

 

Kurz danach parke ich die KTM am Fuße der Testa dell´Assietta (2.550 m) und steige die paar Höhenmeter hinauf zum Aussichtspunkt (2.576 m) mit der Säule und dem Adler oben auf.

 

Danach geht es leicht abwärts zum Colle Lauson und Colle Blegier (2.381 m). Hier mache ich wieder kurz Rast. Es treffen drei Belgier ein, zwei mit BMWs und einer mit einer Honda VFR. Mit so einem Gerät würde ich mich hier nicht wohl fühlen. Anschließend geht es wieder etwas aufwärts zum Monte Genevris, wobei die Steigung maximal 15% erreicht. Die nächsten Stationen sind dann der Colle Bourget und schließlich der letzte Pass, der Colle Basset. Kurz vor dem Colle Bourget gibt es eine unerwartete Überraschung: ein ca. 10 m langer schlammiger Abschnitt, der sich über die ganze Wegbreite erstreckt. Nachdem ich einmal tief durchgeatmet habe, fahre ich vorsichtig aber nicht zu langsam mit gespreizten Beinen durch den Schlamm. Die KTM schlenkert ganz leicht, aber ich komme gut durch, ohne mich abstützen zu müssen. Ein Umfaller hier hätte mir nicht nur ein Schlammbad beschert, ich hätte die Maschine auch alleine sicher nicht mehr aufrichten können. Kurz danach gibt es nochmals zwei solcher Passagen, wobei die zweite Kuhle schon gut einen halben Meter tief ist. Danach ist es nicht mehr allzu weit bis ans Ende der AKS. Ein richtiges kleines Abenteuer, alles gut gegangen :-)

 

Zurück geht es dann wieder in flotter Fahrt über den Colle Sestriere nach Finestrere und Pinerolo. Irgendwo auf der Strecke stoppe ich bei einer Waschanlage und spüle den Schlamm von der KTM. Dann geht es zurück zur Unterkunft, wo ich den Tag bei einem Glas Wein ausklingen lasse.

16. September - Col Sommeiller, Briancon, Col d´Agnel

Gesamtstrecke: 450 km
Gesamtzeit: ca. 11,5 Stunden

 

Ich starte nach dem Frühstück um ca. 9:00 Uhr und nehme die Autobahn nach Norden bis Bardonecchia

Die Abzweigung nach Rochemolles kenne ich ja schon und fahre Richtung Col Sommeiller. Die schmale, kurvige Straße ist schon recht mitgenommen. Im ersten Teil, wo der Schotter beginnt, sind die Kehren ziemlich ausgewaschen und mit recht groben Steinen versehen. Danach wird es wieder etwas besser. Oberhalb des Stausees mache ich einen kurzen Stopp und stelle den Sitz auf die niedere Stufe, für den Fall, dass ich mich einmal abstützen müsste. Zusätzlich lasse ich etwas Luft aus beiden Reifen.

 

Vor zwei Jahren bin ich nur bis zum Refugio Scarfiotti gefahren. Dieses Mal geht es jedoch weiter. Der Aufstieg ist nun steiler und einige Kehren recht eng, es geht aber recht problemlos. Natürlich fahre ich vorsichtig und meistens im Stehen, außer in den Kehren, da fühle ich mich im Sitzen sicherer. So erreiche ich bald den ersten Sattel, von wo es kurz danach etwas nach unten geht und dann durch die Pian dei Morti zum letzten Abschnitt wieder steiler aufwärts. Der Schotter ist jetzt schon sehr grob und ich kann den gröberen Steinen nicht immer ausweichen. Das ist schon recht anstrengend. Einige Höhenmeter unter dem Gipfel bleibe ich in einer Kehre stehen, wo sich drei Motorradfahrer an einer Maschine zu schaffen machen.

Einer hatte in der Kurve einen Umfaller und dabei hat sich der Ganghebel so verbogen, dass er nicht mehr schalten konnte. 

Ich schaue ihnen eine Weile bei ihren Reparaturbemühungen zu und beschließe dann, das als "höheres Zeichen" zu sehen. Es wären zwar nur noch zwei, drei Kehren zu bewältigen, jedoch wurde es immer steiniger und der Schotter noch gröber. Mein Bauchgefühl rät mir, es nicht herauszufordern. Es wäre schade, wenn ich mir durch einen Sturz die weiteren Motorradtage vermiesen würde.

So fahre ich sehr langsam aber problemlos wieder retour. Immer wieder bleibe ich für ein paar Fotos stehen. Der Blick hinunter zum Rifugio und zum Wasserfall ist herrlich.


 Schließlich bin ich wieder in Bardonecchia angekommen und suche zunächst vergeblich eine Tankstelle mit Druckluft, damit ich wieder den normalen Reifendruck erhalte. So fahre ich schließlich die tolle Kurvenstrecke zurück bis nach Susa. Dort wird getankt und die Reifen aufgeblasen. Nach einer kurzen Rast beschließe ich, nach Briancon über Frankreich und den Col d´Agnel zurück nach Italien zu fahren. Also zurück nach Oulx, wo ich einen Fotostopp bei der Festung Exilles mache und dann flott weiter, dem Wegweiser nach Briancon folgend.

 

Ein guter Entschluss, denn die folgenden flotten Kurven sind eine willkommene Abwechslung nach der langsamen Schotterfahrt. Hinunter nach Briancon führen wieder ein paar tolle Kehren. Kurz vor Briancon wacht die imposante Burganlage auf dem Burghügel. Im Ort lockt mich der Brotduft einer Bäckerei zur Seite und wieder einmal hole ich mir ein frisches Baguette (das gehört sich einfach in Frankreich).

 

Nun geht es zuerst über den Col d´Izoard (2.360 m) und dann Richtung Italien. Oben mache ich nur kurz Halt, dafür raste ich dann auf der Südrampe oberhalb des Queyrastales. Weiter geht es dann über den Col d´Agnel (2.744 m), eine Strecke, die ich voriges Jahr schon gefahren bin. In Moulin-en-Queyras bleibe ich kurz stehen und zippe die Innenjacke wieder ein. Dann wechsle ich noch zu den wärmeren Handschuhen, denn oben am Pass schaut es recht nebelig aus und die Temperatur ist schon deutlich gesunken. Das war gut so, denn es wird immer kälter und der Pass ist vom dichten Nebel verhüllt. Oben hat es nur noch 6 Grad. Da bewähren sich die Sitzheizung und die Heizgriffe.

 

Nach einem sehr kurzen Stopp mit Foto im Nebel fahre ich die östliche Rampe hinunter. Die Sicht ist sehr schlecht, erst wieder unten beim Stausee Lago di Castello lichten sich die Nebel und die Temperatur wird wieder angenehmer. Gut, dass ich diesen Pass schon zwei Mal bei bestem Wetter befahren habe. Danach geht es Direttissima Richtung La Morra, wo ich mir um 20:30 in der Pizzeria Per Bacco einen Salat und eine hervorragende Monti et Mare, dazu ein kaltes Bier gönne . Das war ein sehr schöner Tourentag, mit allem, was das Motorradherz begehrt :-)

17. September - Col de Tende, Col de Brouis, Col de Braus, Col de la Lombarde

Gesamtstrecke: ca. 420 km

Gesamtzeit: ca. 11,5 h


Das Wetter am Morgen ist ziemlich trüb. Richtung Frankreich scheint es besser zu sein. Also beschließe ich nach dem Frühstück, mich nach Südwesten zu wenden. Zuerst fahre ich nach Cuneo, wo ich bei einer Tankstelle den Staub von gestern von der Adventure wasche und die Maschine noch auftanke. Dann geht es sehr beschwingt bei wenig Verkehr die flotte Strecke zum Tendetunnel. Dort überhole ich die wartende Autoschlange und fahre bei Grün als erster durch den Tunnel. Dieses Mal kenne ich ja die Abzweigung gleich hinter dem Tunnel hinauf auf die französische Seite des Tendepasses. Gleich unten steht ein Fahrverbotsschild, aber das ist ja meistens ohnehin nur eine Empfehlung :-)


Nach der Assiettastraße und dem Col Sommeiller ist der Tendepass eine leichte Übung, auch wenn die Kehren sehr eng sind. Bald beginnt der Schotter, den man hier aber auch mit einer Straßenmaschine befahren könnte. Das Fort Central ist schon zum Greifen nahe, da stoppt mich ein Hindernis. Quer über die ganze Wegesbreite liegen Erd- und Steinhaufen mit teilweise sehr großen Felsstücken. Irgendwie sieht es nach einem Felssturz aus, der dann noch zusätzlich manipuliert wurde, damit niemand mehr durch kann. Mit einer leichten Enduro wäre es ev. möglich, mit meiner KTM 1190 jedenfalls nicht, außer man hätte einen Trupp Sherpas dabei, der die Maschine über die Steine trägt.

Da ich hier auch schon vor zwei Jahren oben war, ist es nicht so tragisch, weil ich ja ohnehin dieselbe Strecke wieder retour gefahren wäre. So mache ich ein paar Fotos, unterhalte mich noch kurz mit einem Franzosen, der kurz nach mir zum Halt gezwungen worden ist.


Wieder im Tal fahre ich vorerst einmal Richtung Nizza. Über den Col de Brouis geht es nach Sospel. Diese Strecke bin ich im Jahr 2012 schon gefahren. Dort leitet mich ein Schild zum Col de Braus über eine sehr, sehr einsame, schmale Straße. Es begegnet mir kein einziger Verkehrsteilnehmer. Nach einer kurzen Pause geht es weiter zum Col de Turini. Hier bin ich ja mit Gerhard und Wolfgang vergangenen Juni gewesen. Von hier fahre ich durch wildes Hinterland auf der einsamen D2566 nach Lantosque und weiter nach Utelle.


Durchs Tinéetal führt dann wieder eine flotte Strecke. Die Straße hinauf nach Isola 2000 habe ich von dieser Seite noch nicht befahren. Ich bin so gut wie alleine unterwegs und gehe es recht flott an. In Isola 2000 befestige ich dann meinen Kragen an der Jacke und wechsle zu den wärmeren Handschuhen, da die Temperatur jetzt ständig fällt. Oben am Col de la Lombarde (2.350 m) ist es recht frisch und nebelig. So bleibt es auch, bis ich auf der anderen Seite wieder im Tal angekommen bin. Danach fahre ich über Demonte Richtung Cuneo. Etwas vor Cuneo erwischt mich ein Regenguss. Da ich das schon kommen sah, habe ich mir noch rechtzeitig die Regenkombi angezogen. Bis ich dann wieder in La Morra bin, ist alles bereits aufgetrocknet. Zuerst stelle ich mich unter die Dusche, dann fahre ich noch zur Pizzeria, wo es auch dieses Mal wieder hervorragend schmeckt.


Am nächsten Tag regnet es bereits in der Früh. Ich packe nach dem Frühstück meine Sachen und mache mich über die Autobahn auf den Nachhauseweg. Dort komme ich um 16:00 Uhr wohlbehalten wieder an.